Eines Tages war sie plötzlich da.

„Erzähl ihnen Geschichten von mir“, flüsterte die Närrin mir zu. Ich ignorierte sie – denn ich kann keine Geschichten erzählen. „Erzähl ihnen von mir“, forderte sie lauter und zupfte mich am Rock. „Ich kenne dich doch nicht, was soll ich denn erzählen?“ fragte ich sie.
„Du glaubst mich nicht zu kennen???“ fragte sie staunend – betrachtete mich von unten bis oben – brach in schallendes Gelächter aus und war verschwunden.

Und ich wurde sie nicht mehr los - und das ist wunderbar!

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Das ganze Dorf war am Ufer des kleinen Sees versammelt, weil die Närrin angekündigt hatte, heute Abend über das Wasser zu gehen.

Ruhig betrat sie den Steg und schritt langsam bis zu seinem Ende – setzte einen Fuß auf`s Wasser – und den zweiten – und schon war sie untergegangen.

„Heute wäre es mir wirklich fast gelungen“, freute sie sich beim Auftauchen. „Gut nur, dass ich mein schönstes Kleid angezogen habe.“

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Die Närrin wollte in die große Stadt gehen, doch bei der dritten Wegkreuzung konnte sie sich nicht entscheiden, welchen der Wege sie nehmen sollte. So setzte sie sich unter einen Baum in den Schatten.
Am Abend kehrte sie in ihr Dorf zurück. Es war ein guter Tag gewesen.
Zufrieden dachte sie: „Wie gut, dass ich da war und so vielen raten konnte, wie sie gehen sollen.“

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„Ich verstehe nicht, warum meine Kuchen nie gelingen“, klagte die Närrin.
Ihre Nachbarin gab ihr einige Tipps und als sie die Närrin einige Tage später besuchte, war diese gerade wieder dabei zu backen. „Geht es jetzt besser?“ fragte sie. „Aber ja“ sagte die Närrin zufrieden, „ich halte mich jetzt einfach nicht mehr ans Rezept.“ „Aber dann wird der Kuchen wieder nichts werden“, warnte die Nachbarin. „Wahrscheinlich wird es so sein“, meinte die Närrin, „aber jetzt weiß ich dann, woran es liegt!“

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„Glaubst du an Gott?“ wurde die Närrin gefragt.
„Aber nein, wozu denn? Mir genügt es völlig zu wissen, dass Gott an mich glaubt.“

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Mit einem Lächeln in den Augen und voll Erwartung stand die Närrin da.
„Was hast du denn vor?“ wurde sie gefragt.
„Ganz weit hinaus schwimmen und ganz tief untertauchen“, sagte sie voll Vorfreude - und stieg in den Swimmingpool.

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„Ganz schön alt bin ich geworden“, freute sich die Närrin, als sie sich im Spiegel betrachtete.
„Hat aber auch viel Mühe gekostet, bis mein Gesicht so war, wie es jetzt aussieht: all die Runzeln und Falten, wie viel Lachen und Tränen, Nachdenken und Sprechen, war da notwendig.“
„Und bis mein Körper so weich und rund geworden ist – war gar nicht so einfach, so ich zu werden.“

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Ein Mann kam zur Närrin, weil er gehört hatte, dass sie so zufrieden lebte und niemals neidisch auf andere war.


„Ist es nicht ungerecht, dass du in so einem kleinen Häuschen wohnst und dein Nachbar in einer riesigen Villa?“ fragte er sie. Sie überlegte kurz. „Ja vielleicht schon - aber was kann ich denn dafür, dass er sich sein Leben so schwer macht mit all den Sorgen und Kosten für sein riesiges Haus?“


Da versuchte es der Mann noch einmal: „Und all die Flüchtlinge, die jetzt zu uns kommen, weil sie es hier besser haben und auf unsere Kosten leben. Das ist doch ungerecht, oder?“ „Aber selbstverständlich“, antwortete sie, „wie kommen die dazu - so weit reisen zu müssen und so gefährlich, nur um das haben zu können, was wir immer haben.“


Der Mann schüttelte nur den Kopf: „Du bist wahrhaft eine Närrin! Du scheinst gar nicht zu merken, wie ungerecht das Leben ist und dass andere es viel besser haben als du.“
„Und wenn ich so denken würde, was hätte ich dann davon?“ fragte sie. „Und weißt du, mir absichtlich die Freude zu verderben, an dem was ich habe, nur weil andere vielleicht mehr haben - so närrisch bin ich wieder auch nicht!“

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„Ein Segen des Alters ist, dass man jetzt besser weiß, was die anderen brauchen“, sagte die Närrin zu ihrer Nachbarin.
„Als mein Sohn gestern klagte, dass ich früher so gute Marmeladen gemacht habe, hab ich ihm einfach das Rezept gegeben. Wär doch nicht gut, wenn er in seinem Alter immer noch auf mich angewiesen wäre…“

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„Was bin ich doch für eine Närrin“, sagte die Närrin, als sie sich wieder einmal in jemand ganz falschen verliebt hatte.
Küsste ihn/sie und ging fröhlich ihres Weges.

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„Närrin zu sein, ist ein ganz schön anstrengender Job“, sagte die Närrin.
„Aber irgendeine muss ihn ja machen…“

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Ganz begeistert erzählte die Närrin einem Freund: „Was für ein wunderbarer Tag!
Extra für mich hat die Sonne meinen Lieblingsplatz gewärmt. Dann hat ein Baum mir Blüten auf den Weg gestreut.
Die Ampel ist grün geworden, wie sie mich hat kommen sehen und im Gasthaus haben sie meine Lieblingsspeise auf der Speisekarte gehabt, weil sie gehofft haben, dass ich komme.“
Darauf betrachtete sie der Freund kopfschüttelnd und fragte: „Und du glaubst allen Ernstes, dass das alles nur für dich war?“
„Ja klar“, antwortete sie strahlend.
„Und wenn ich zur Ampel gekommen wäre, wäre sie nicht grün geworden?“
„Mach dir keine Sorgen“, sagte sie lächelnd, „natürlich hätte sie das für dich auch gemacht!“

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Schon seit Tagen war die Närrin auf der Suche. Doch dann endlich hatte sie sie gefunden, ganz hinten in ihrem Garten, versteckt zwischen Büschen und einem Laubhaufen, den sie vergessen hatte wegzuräumen.„Da bist du ja! Ich such dich schon so lange. Wieso hast du dich hier verkrochen?“ Traurig und erschöpft antwortete ihr die Dunkelheit: „Du bist wirklich eine Närrin. Kein Mensch sonst will mich.“

„Aber wir brauchen dich doch“ antwortete die Närrin verwundert, „Ich mag Kerzenlicht sehen und die Sterne. Und ich brauch dich auch ganz pur. Ich mag mich spüren und dich und … na ja, du weißt schon… Und mit dir kommt auch die Stille, die Träume, die Geschichten. Bitte, ich hab so Sehnsucht nach dir….“

„Das klingt schön“ seufzte die Dunkelheit und wurde größer und tiefer.

„Und weißt du was, ich stell dich jetzt ganz groß in meinen Garten, du bist mein Weihnachtschmuck, die anderen haben ja auch ihre kletternden Weihnachtsmännern und leuchtenden Rentieren.“
Auch das gefiel der Dunkelheit sehr gut, sie wuchs noch weiter und sogar ein bisschen über den Zaun hinaus.

Und die Närrin kuschelte sich in sie hinein und murmelte „Auch gut, wenn die anderen dich nicht wollen, dann bleibt mehr für mich!“